Interview mit Andreas Marggraf, Geschäftsführer der TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH
"Der leser*innen- finanzierte und gemeinnützige Journalismus wird eine größere Rolle spielen"
Andreas Marggraf, Geschäftsführer der TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH, die die taz seit Oktober 2025 werktags ausschließlich als digitale Tageszeitung vertreiben und nur noch zum Samstag ihre wochentaz drucken wird, über die Veränderungen im Journalismus, den Einsatz der HUP-Verlagslösung Paradise, das Aus für gedruckte Tageszeitungen und die Medienwelt der Zukunft.

Viele Zeitungsverlage freuen sich über die ePaper-Verkäufe. Wann hat das E-Paper ausgedient?
Das E-Paper spielt auch in der näheren Zukunft eine große Rolle, nicht nur, weil es weiterhin einen großen Bedarf gibt, ein tägliches, abgeschlossenes Zeitungsprodukt zu lesen, sondern auch weil es für unsere Ertragsstruktur wichtig ist. Aber für die weitere Zukunft ist es eine Übergangstechnologie. Langfristig müssen wir – wie alle anderen Medien auch – mit unseren online-Angeboten mehr Geld verdienen.
Sie haben künftig Teile der Verlagslösung Paradise im Einsatz. Inwiefern spielt die Professionalisierung als Vorbereitung für jene digitalen Modelle im Schulterschluss mit einer gedruckten Wochenzeitung eine Rolle bei Ihren Plänen?
Wir haben bisher die meisten unserer Verlagsprogramme selbst entwickelt und selbst programmiert. Das ist zwar toll, weil diese vor allem in Print sehr individuell auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten sind. Doch diese Lösungen sind nicht mehr optimal, weil sich der Medienmarkt diversifiziert hat und die Welt komplexer geworden ist. Wir haben heute schon verschiedene Aboangebote, zwischen denen man jederzeit hin und herwechseln können muss, und wir haben gesteigerte Anforderungen an die Datenauswertung. Daher muss die Abosoftware selbst flexibler sein und wir brauchen Schnittstellen zu unseren an- deren Systemen. Paradise bietet dafür gute Lösungen und ist ein wichtiger Teil unseres Baukastensystems, mit dem wir uns für die Zukunft gut aufstellen.
Die taz ist eine der wenigen echten Medienmarken im DACH-Raum und müsste doch ohnehin auch wirtschaftlich viel erfolgreicher sein.
Unsere öffentliche Wirkung ist oft viel größer als unsere Auflage, Wir sind in den Presseschauen präsent, die taz wird wahrgenommen in ihrer Meinung. Unsere Stärke liegt in unserer klaren Positionierung und der eng an uns gebundenen Community.“ Wir haben eine treue Leserschaft, weil wir eine klare Haltung haben und unabhängig agieren. Das unterscheidet uns von vielen anderen Verlagen.
OK, aber ...
... diese Wahrnehmung spiegelt sich aber nicht unbedingt in bezahlten Abos wieder. Hinzu kommt: Wir sind als linke Zeitung ja bewusst nicht Mainstream. Trotz eines breiten linken Spektrums haben wir nur einen begrenzten Rahmen, den wir auch nicht verlassen möchten, eben weil wir unserer Marke dann nicht mehr treu wären. Doch es gibt Potenziale. Über 3 Millionen Menschen kommen monatlich auf unsere Webseite, das sind wesentlich mehr als die 85.000, die regelmäßig für uns in Form eines Abos oder über unser freiwilliges Zahlmodell taz zahl ich für uns zahlen.
"Ich hoffe, dass es weiterhin einen guten Mix aus Öffentlich-Rechtlichen, wirtschaftlich betriebenen und gemeinnützigen Medien geben wird."
Mal zurückgeschaut: Seit wann schwelte die digitale Transformation denn in den Köpfen der taz-Führung?
Seit sechs Jahren reden und planen wir konkret. Es war bereits absehbar, dass die Kosten für Druck und Vertrieb steigen. Zudem zeichnet sich ja ab, dass die Auflage der gedruckten täglichen Ausgabe weiter sinkt, auch wenn wir eine Zeit lang dachten, dass sich der Trend auf einem bestimmten Niveau zumindest stabilisiert. Das ist nicht der Fall. Und da sich gleichzeitig das Leseverhalten auch von älteren Menschen ändert und wir davon ausgehen, dass uns im Zuge der digitalen Umstellung 70% der Leser*innen erhalten bleiben, ist es jetzt an der Zeit. Wir haben inzwischen mehr Menschen, die jeden Tag unsere digitale Ausgabe lesen, als die gedruckte. Es ist digital nicht nur eine Minderheit, sondern schon die Mehrheit. Wenn wir diesen Umstieg jetzt nicht rechtzeitig vorbereiten, solange es uns gut geht, wird es uns wirtschaftlich in Zukunft mit Print schlechter gehen. Deshalb ergreifen wir jetzt diese Chance.
Rufen gerade viele Medienmanager an und fragen nach Ihren Erfahrungen und Plänen?
Bisher hat sich noch keiner gemeldet. Aber ich gehe mal davon aus, das kommt noch.
Lassen Sie unser Gespräch ins Jahr 2064 projizieren – wie werden Menschen in 40 Jahren Nachrichten lesen?
Heute 40 Jahre in die Zukunft zu blicken, ist reizvoll, aber sicher an der Grenze dessen, was man halbwegs seriös einschätzen kann. Kurz: Ich gehe davon aus, dass Menschen 2064 Nachrichten nur noch online konsumieren werden, wobei Bewegtbild und Audioformate eine noch größere Rolle spielen werden und Social Media weiterhin einen starken Einfluss auf den Nachrichtenkonsum haben wird.. Gedruckte Tageszeitungen wird es definitiv nicht mehr geben, wohl aber Wochen- und Monatszeitungen. Was mich besonders beschäftigt, ist die Frage, wie viel Qualitätsjournalismus es dann noch geben wird. Ich sehe da eine große Herausforderung vor uns, dann auch gut recherchierten Journalismus zu haben und nicht alles von der KI machen zu lassen. Es wird entscheidend sein, die Menschen weiterhin davon zu überzeugen, dass Qualitätsjournalismus Geld kostet und sie dafür zahlen müssen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass es auch in Zukunft genug Leser*innen geben wird, die das verstehen und unterstützen. Und so bin ich sicher: In 40 Jahren wird der Leser*innenfinanzierte und gemeinnützige Journalismus eine noch größere Rolle spielen, auch für die taz.
Auf Social Media ist eine Partei am anderen Ende Ihrer politischen Ausrichtung aktuell sehr erfolgreich. Deren aktueller Erfolg basiert eben ja vor allem auf den Stimmen zahlreicher junger Menschen, die die Angebote von Meta, Google und Co. nutzen und somit die eigentlichen Wettbewerber im News-Business sind. Was wünschen Sie sich angesichts der aktuellen Entwicklung für eine Medienlandschaft 2064?
Ich hoffe, dass es weiterhin einen guten Mix aus Öffentlich-Rechtlichen, wirtschaftlich betriebenen und gemeinnützigen Medien geben wird. Gerade die Öffentlich-Rechtlichen stehen ja in der Schusslinie der Populisten, spielen aber für den Qualitätsjournalismus auch eine wichtige Rolle. Und die Bundesregierung schafft es hoffentlich irgendwann, Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen.

Interview aus dem HUP-Zukunftsmagazin 2064. Infos und Interviews mit weiteren Verlagsmanagern und Forschern zur Zukunft der Zeitung, wie wir lesen und leben. Jetzt gratis downloaden:
2064 - das Zukunftsmagazin

Mal zurückgeschaut: Seit wann schwelte die digitale Transformation denn in den Köpfen der taz-Führung?
Seit sechs Jahren reden und planen wir konkret. Es war bereits absehbar, dass die Kosten für Druck und Vertrieb steigen. Zudem zeichnet sich ja ab, dass die Auflage der gedruckten täglichen Ausgabe weiter sinkt, auch wenn wir eine Zeit lang dachten, dass sich der Trend auf einem bestimmten Niveau zumindest stabilisiert. Das ist nicht der Fall. Und da sich gleichzeitig das Leseverhalten auch von älteren Menschen ändert und wir davon ausgehen, dass uns im Zuge der digitalen Umstellung 70% der Leser*innen erhalten bleiben, ist es jetzt an der Zeit. Wir haben inzwischen mehr Menschen, die jeden Tag unsere digitale Ausgabe lesen, als die gedruckte. Es ist digital nicht nur eine Minderheit, sondern schon die Mehrheit. Wenn wir diesen Umstieg jetzt nicht rechtzeitig vorbereiten, solange es uns gut geht, wird es uns wirtschaftlich in Zukunft mit Print schlechter gehen. Deshalb ergreifen wir jetzt diese Chance.
Rufen gerade viele Medienmanager an und fragen nach Ihren Erfahrungen und Plänen?
Bisher hat sich noch keiner gemeldet. Aber ich gehe mal davon aus, das kommt noch.
Lassen Sie unser Gespräch ins Jahr 2064 projizieren – wie werden Menschen in 40 Jahren Nachrichten lesen?
Heute 40 Jahre in die Zukunft zu blicken, ist reizvoll, aber sicher an der Grenze dessen, was man halbwegs seriös einschätzen kann. Kurz: Ich gehe davon aus, dass Menschen 2064 Nachrichten nur noch online konsumieren werden, wobei Bewegtbild und Audioformate eine noch größere Rolle spielen werden und Social Media weiterhin einen starken Einfluss auf den Nachrichtenkonsum haben wird.. Gedruckte Tageszeitungen wird es definitiv nicht mehr geben, wohl aber Wochen- und Monatszeitungen. Was mich besonders beschäftigt, ist die Frage, wie viel Qualitätsjournalismus es dann noch geben wird. Ich sehe da eine große Herausforderung vor uns, dann auch gut recherchierten Journalismus zu haben und nicht alles von der KI machen zu lassen. Es wird entscheidend sein, die Menschen weiterhin davon zu überzeugen, dass Qualitätsjournalismus Geld kostet und sie dafür zahlen müssen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass es auch in Zukunft genug Leser*innen geben wird, die das verstehen und unterstützen. Und so bin ich sicher: In 40 Jahren wird der Leser*innenfinanzierte und gemeinnützige Journalismus eine noch größere Rolle spielen, auch für die taz.
Auf Social Media ist eine Partei am anderen Ende Ihrer politischen Ausrichtung aktuell sehr erfolgreich. Deren aktueller Erfolg basiert eben ja vor allem auf den Stimmen zahlreicher junger Menschen, die die Angebote von Meta, Google und Co. nutzen und somit die eigentlichen Wettbewerber im News-Business sind. Was wünschen Sie sich angesichts der aktuellen Entwicklung für eine Medienlandschaft 2064?
Ich hoffe, dass es weiterhin einen guten Mix aus Öffentlich-Rechtlichen, wirtschaftlich betriebenen und gemeinnützigen Medien geben wird. Gerade die Öffentlich-Rechtlichen stehen ja in der Schusslinie der Populisten, spielen aber für den Qualitätsjournalismus auch eine wichtige Rolle. Und die Bundesregierung schafft es hoffentlich irgendwann, Journalismus als gemeinnützig anzuerkennen.